--- Meinungen, Berichte und Sinnloses aus meinem Nachrichtenbunker in der regnerischen Hansestadt ---

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Sonntag, 26. Mai 2013

Aufreger

In Oklahoma sterben aufgrund eines völlig überraschend und unnatürlich auftretenden Tornados 24 Menschen, 230 werden verletzt. Viele Häuser sind zerstört, Menschen finanziell ruiniert, die Medien berichten in jeder Nachrichtensendung minutenlang, auch mit Reportern vor Ort und Sprechern vor riesigen Videowänden. 24 tot. 230 verletzt.

...

SAGTMALSINDDIEMEDIENVÖLLIGBESCHEUERT?
In Syrien sterben in jeder einzelnen Stunde des Tages mehr Menschen! Mehr Häuser, Straßen, Versorgungsinfrastruktur wird zerstört! Jeden Tag! 70000 - SIEBZIGTAUSEND! - Tode in den letzten 2 Jahren! Was macht der Durchschnittsnachrichtenredaktuer? Zuckt mit den Schultern, schreibt im besten Falle noch eine kurze Meldung für die Ramsch-Sammelspalte auf der letzten Politikseite, meistens sogar nur als Nebensatz in der Bekanntmachung, dass sich Assad nach 2 Jahren Krieg gegen Volk, Rebellen und allerlei verschiedenen außenpolitisch motivierten Kämpfergruppen vom Ausland bedroht fühlt!
Siebzigtausend! Das ist etwa soviel wie jeweils die gesamte Einwohnerzahl von Celle, Bamberg oder Brandenburg an der Havel! Man stelle sich vor, in Deutschland wird innerhalb von 2 Jahren eine ganze Stadt ausgerottet und keine weiss so richtig; warum und durch wen.
So sollte letzte Woche ein Post beginnen. Doch wie so oft kam mir vor dem Vollenden noch das unmittelbarere Leben in die Quere und am nächsten Tag war der Spuk schon fast wieder vorbei, ich hatte zu lange gewartet, gezögert, meine Chance für den richtigen Einschlag war schlicht vorbei.

Trotzdem nehme ich das jetzt als Aufhänger für einen neuen Post, einfach weil ich wiedermal damit unzufrieden bin, was hier los ist. Ich bin militanter Student, ich habe also viel mehr Zeit als noch zu Schulzeiten. Trotzdem ist hier so wenig los wie noch nie. Ich frage mich immer wieder, warum die Leser, die noch geblieben sind, nicht schon längst verschwunden sind. Ich für meinen Teil hätte diesen Blog als Leser schon lange aufgegeben. Womit ich nicht sagen will, dass ich es nicht unglaublich toll von euch finde, dass ihr immer noch da seid und auch diesen Post wieder kommentieren werdet. Ich mag und schätze euch sehr! Vielleicht vertraue ich auch darauf, dass ihr mich verstehen könnt, bei dem ein oder anderen ist es auch ruhiger geworden.
Genug davon.
Was ich eigentlich sagen wollte ist, dass es fantastisch einfach geworden ist, die Medien zu bashen. Erst regt sich alles über das eine oder andere Thema auf, dann verschwindet es wieder. Völlig und endgültig. Oder weiss jemand, wie es in Fukushima aussieht? Nein, dann vielleicht was aktuelleres, was auch näher an uns dran ist: Zypern. Wie, weiss auch keiner? Dann vielleicht den aktuellen Stand im Zschäpe-Prozess? Hmmm....
Zu allen oben genannten Themen bin ich warscheinlich genauso ahnunglos wie ihr (ohne entsprechende Recherche jedenfalls). Speziell Fukushima hat mich interessiert, also habe ich mich Anfang des Jahres auf die Suche nach ein paar Fakten gemacht. Nichts zu finden in deutschen Medien. Englischsprachige ergaben auch keine Treffer. Was die Japaner dazu schreiben, verstehe ich leider nicht. Aber mehr als vielleich einmal die Woche eine kleine Spalte im Lokalteil wirds wohl auch da nicht mehr sein.
Was also tun? Sich nur noch mit speziellen Themen auseinandersetzen? Dann geht ganz schnell der Blick auf den Rest der Welt verloren. Fachidiot kann ja auch nicht das Ziel sein. Mein Vorschlag an die Medien wäre: überlegter und breiter zu berichten. Nicht für jeden grade passierten Scheiss so intensive Berichterstattung aufziehen, dass ich nach 20 Minuten den Text der Vor-Ort-Reporterin mitsprechen kann. Wenn ich nicht 14 von 15 Minuten meines Nachrichtenslots für die Frisur und Lippenstiftfarbe der Angeklagten verschwende, bleibt mir Zeit über mehr zu berichten. Ich kann auch in 15 Minuten, abzüglich Wetterbericht einen guten Überblick über das Weltgeschehen bringen. Wer an einer Meldung ganz besonders interessiert ist, nutzt sowieso von Nachrichtenredaktionen eingerichtete Spezialseiten oder ist (wie ich bei allen Bundeswehr-bezogenen Themen) sowieso besser und früher informiert als die Breitenmedien.
Wie haltet ihr das? Habt ihr die Fernsehnachrichten aufgegeben und informiert euch übers Internet? Ist euch das egal (wovon ich nicht ausgehe) und ihr pfeift auf Berichterstattung?

4 Kommentare:

  1. Hier gibt es viel zu besprechen:
    1. Vielleicht gilt es hier dann aber auch die Medien zu prüfen, die man konsumiert.
    Arte zum Beispiel geht zur Jährung vieler Katastrophen mit alten und brandneuen Berichten auf Probleme ein. Neulich passenderweise war, da eine japanische Serie aktuell auf Arte läuft, nochmal eine Sendung zum "Wie leben die Menschen jetzt in Japan" mit massivem Fukushima-Bereich. Die populären Sender und Medien arbeiten entsprechend der Popularität.

    2. Die Nachrichten und Angst-Forschung hat mal belegt, dass diese Veralterung von Themen sogar wichtig für uns ist, um Traumata zu verarbeiten. Diese Katastrophen sind alle schrecklich, aber eine zu intensive Überlagerung mit diesen Themen würde bzw. könnte langfristige mentale Schäden verursachen. Deshalb geht es auch für einen Menschen nur so: Sich tief mit ein paar Themen auseinandersetzen, oder breit und flach mit sehr vielen. Mehr würde die geistige und halt wohl auch emotionale Fassungsgrenze überschreiten.

    3. Unserer Verhältnis zum Tod ist ein schwieriges. Katastrophen und Tode gegeneinander zu halten und Schrecklichkeit zu vergleichen ist schwierig, auch ethisch. Gerade bei Tod setzen wir Maßstäbe an, die sich jeder Überprüfbarkeit entziehen. Zu recht.
    Es gibt keine schrecklicheren, keine gerechteren, keine sinnloseren und sinnvolleren Tode. Der Verlust von Leben ist Grund zu Trauer, egal wo und wieviele es sind und auch egal weshalb. Das aber durchgehend immer zu ertragen wäre beinahe unmöglich. (Siehe Punkt 2)
    Die Medien schreiben sich halt Hohe Aktualität auf die Fahnen. Sonst wären Borpal, Landminen etc. auch immer in den Tagesmedien, auch wenn die Fälle schon seit vieler Zeit laufen.

    4) Und da liegt auch ein entscheidener Faktor: Das Internet und Fernsehen sind voller Tagesmedien, aber wenn du dich an Wochen- und Monatsmedien begibst, merkst du schnell, dass all diese Themen nicht vergessen sind. Selbst hippe in Blätter wie die "View" machen kritischen, wenn auch nur Fotojournalismus, zu Syrien, aber auch Haiti und halten diese Themen aktuell. Es ist also nicht so, als würde es nicht passieren, man wird nur nicht damit so strapaziert.
    Aber auch dagegen gibt es eine Lösung: Lass den Fernseher aus. Kontrolliere deinen Medienkonsum! ;)

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  2. @ Jay... Wo du Recht hast, hast du wieder mal einen wunden Punkt getroffen. :-)
    Mein Ausschnitt der Medienlandschaft ist ganz sicher nicht repräsentativ, aber ich konusmiere nunmal den Grossteil meiner Nachrichtensendungen am Morgen zwischen Aufstehen und in die Uni gehen, weil das also die Zeit fällt, in der ich wach werde, lasse ich mich gerne berieseln. Kann ich da nicht trotzdem etwas mehr Breitenberichterstattung erwarten?

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  3. Forder ihn ein. Es gibt einen Presserat, die Medien sind auch in den Social-Communities vertreten. Unterstütze Bildblog oder auch Indy-Media.

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  4. Nachrichten kuck ich schon an. Aber nur im Internet, oder wenn der TV mal wo läuft wo ich zu Besuch bin. Kuck kein Fernsehen mehr.

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