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Montag, 26. August 2013

Einmal Moskau - (M)Ein Stadtabenteuer

Diese Reihe beschreibt meine Eindrücke von meiner Reise nach Moskau. Ich gebe dabei meine fast unmittelbaren Eindrücke wieder, da ich jederzeit dieses kleine schwarze Heftchen bei mir hatte, in welches ich fast alle meine Beobachtungen und Gedanken reingeschrieben habe. Dieser Text hat danach kaum Anpassungen genossen, damit es trotzdem nicht zu trocken wird, werde ich reichlich Bilder einstreuen. Viel Spass dabei!

Noch ein paar Worte zur Erklärung: [Dieser Text sind Anmerkungen, die ich erst später während des Nachbearbeitens eingefügt habe] und --- Alles was hier drin stand, waren Gedankenblitze, die nichts bis wenig mit den eigentlichen Geschehen zu tun hatten, sind aber in dem Moment entstanden ---

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Tag 1 : Abflug Hamburg - Nachtwanderung

Check-In hat in etwa eine halbe Stunde gedauert, ich bin umgeben von bi- und trilingualen Leuten. Die Russen und Koreaner erkennt man sofort, bei dem Paar mit den zwei Kindern hinter mir bin ich micht nicht so sicher. Die Kinder sprechen noch nicht, also muss ich mich auf die Eltern konzentrieren. Die Mutter spricht jedenfalls Deutsch. Der Papa spricht mit der älteren Tochter (Hannah) Englisch. Als er von zwei Koreanern anerkennende Kommentare über seine Kinder in einer Sprache bekommen hat, die sicher nicht Russisch war, antwortet er aber in russischer Sprache. Jetzt bin ich endgültig stutzig geworden und schaue genauer hin: Sie und Er sind geschätzt Mitte 30, haben besagte zwei Kinder, vielleicht ein und vier Jahre alt. Sie hat das kleinere Kind (ich glaube ein Junge) vor den Bauch geschnallt und schiebt einen bis oben mit großen Koffern beladenen Trolley vor sich her, Er beschäftigt sich mit der älteren Tochter, welche erst schläft und dann einmal aufgewacht mit ihren Süssigkeiten spielt. Das gefällt der Mama weniger, aber sie greift auch nicht durch um das Verhalten abzustellen. Mein Tipp für ihn wäre ja Diplomat, aber die Beiden stehen hinter mit in der normalen Reihe zum Check-In für die Economy Class und nicht wie die Koreaner nebenan bei Premium/Business/Kommersant. Mag ja auch sein, dass er Geschäftsmann ist, aber müsste er nicht gerade dann besser reisen als der gemeine Student? [Wie sich später herausstellt nicht, soviele Geschäftsleute wie um mich rum im Flieger sitzen, scheint es heute keine Pflicht mehr für diese Gruppe Reisende zu sein, in der ersten Klasse zu reisen] Möchte man doch meinen, zumal mit Frau und zwei Kindern. Leider bekomme ich nicht mehr mit, wie sie ihr Gepäck aufgeben, da bin ich mit dem Check-In schon dran. Alles läuft reibungslos - mit dem e-ticket-Verfahren hatte ich ja so meine Bedenken - es gibt leider nur noch Gangplätze. Ich bekomme einen Notausgangplatz, "mehr Beinfreiheit". Gespannt bin ich allemal, insbesondere auf den Vergleich zur deutschen Bahn. Der Platz bei der Lufthansa nach Helsinki letztes Jahr war nur marginal kleiner und kürzer als ein normaler Sitz in der 2. Klasse im ICE.

Während der Aeroflot-Flug nach St. Petersburg vom Gate geschleppt wird, wundere ich mich wieder einmal, dass mein E7-00 sich selbst den Akku aussaugt. Es läuft in letzter Zeit öfters mal heiß und dann kann man zuschauen, wie der Akku sich leert. Finde ich doof, so kann ich vorm Abflug nicht nochmal ins Internet.
Der Wartebereich füllt sich langsam, ich bin wieder mal viel zu früh dran gewesen. Vielleicht taucht ja die Diplomatenfamilie wieder auf und bringt neue Erkenntnisse. Das Paar vor mir in der Warteschlange ist jedenfalls auch wieder da.

Da sind die Vier wieder und wie es der Zufall oder der Kosmos will, setzen sie sich mir gegenüber. Jetzt kann ich sie besser studieren und lausche noch aufmerksamer. Sein Englisch ist ein Oxford'sches, ihr Deutsch sehr hoch, ohne erkennbaren Akzent. Ich spekuliere hier mal auf Niedersachsen. 'Hannah' bekommt vom Papa "cough juice" - Hustensaft. Wohl eher prophilaktisch als zur akuten Behandlung. Er ist ein Apple-Jünger, püft sein 4er Telefon und daddalte dann auf dem Mini-Pad. Man kleidet sich hochwertig und unauffällig. Könnten auch Lehrer sein. Er spielt Limbo während draußen eine bucklige Boeing mit Fracht beladen wird. Die große Atlas-Maschine sieht nicht so aus, als würde sie noch Passagiere transportieren. Der Gangwayrüssel wartet zurückgezogen geduldig auf die Maschine aus Moskau.

--- Ich sitze hinter den Sicherheitskontrollen mit Blick auf die Rollbahn und das Vorfeld. Die Passkontrolle für EU-Bürger habe ich auch hinter mir gelassen. Bin ich noch in Deutschland oder doch schon in internationalem Niemandsland? ---

Na wenn man vom Teufel spricht. Mama Hannah entdeckt die kleine Maschine zuerst.
S. Kovalevskaya, bist du eine Boeing oder ein Airbus? Der Bildbeweis wird es zeigen. [Völliger Quatsch, auf den Blättern mit den Rettungshinweise steht gross und deutlich Airbus!]. Toll, Gangplatz an nem Notausgang, ich gehe von mindestens minderwertiger Sicht aus. Mit einem Platz in Reihe 10 kann ich mir mit dem Boarding Zeit lassen. Bisher habe ich drei Kinder im Schreialter gezählt (und übrigens niemanden in meiner Altersklasse). Das ist noch zu ertragen, zumal meine Reizschwelle durch die vielen Bahnfahrten recht hoch liegt. Da fällt mir auf, dass wir mit dem Boarding jetzt schon 20 Minuten hinterher sind und ich bisher weder die Fress- noch die Putzkolonne am Flieger gesehen habe.

--- yay Steigflug! ---

Ablfug mit ca. 25 Minuten Verspätung. Boarding versucht organisiert, jedoch sind Durchsagen eher unzweckmäßig, wenn man Menschenmengen dirigieren will. Wo doch hier überall Bildschirme rumhängen.
Der Kindercounter steht inzwischen bei vier. Ein paar Reihen vor mir im Flieger findet schon Geschrei statt, das ist aber während des Steigflugs wohl kaum zu vermeiden. Ich sitze neben einem russischen Ehepaar im besten Alter, auf der anderen Seite des Ganges deutsch-russische Arbeiter. Hinter mit ein Agrarstudent und ein Unternehmer aus der Branche.

Zum Sitzplatz: schmaler als die Bahnsitze, aber mit mehr Beinfreiheit. Der Kerl am Check-In hatte also doch Recht. Die Plätze in der Premiumabteilung sind wesentlich breiter und tiefer als die der 1. Klasse im ICE. Sehen auch bequemer aus.

--- Wer nix isst, kann nix auskotzen! ---

Die Koreaner sind übrigens keine, sondern Chinesen! Schaarenweise Pässe mit Sternchen und Ährenkranz aus der Volksrepublik. Vor den Fenstern alles weiss. Whiteout?

1615 Moskauer Zeit, irgendwo über Osteuropa.
Die erste [und einzige] Essenrunde ist durch (so viel Müll!), die Reste stehen noch da und ich schreibe schon wieder in mein frisch gekauftes moleskin Heftchen. Das Schreien des Kindes in der einen Reihe vor mit endete seltsamerweise als der Flug holprig wurde, in den Sekunden in denen der Flieger gefühlt endlos durchsackte. Da herrschte Totenstille - jeder war mit sich beschäftigt.

Es ist keine gute Idee gewesen, ohne Russisch-Auffrischungskurs nach Moskau zu fliegen, das Paar neben mir spricht meiner Vermutung nach kein Wort Englisch. Aber hey, ich kann auch die Schnauze halten, im Gegensatz zum Herrn Agrarstudent. Der redet seit Abflug praktisch ohne Luft zu holen ununterbrochen dummes Zeug.

Die Flugbegleiterin in ihrer tollen knallorangenen Uniform wird auch nichts fürs Lächeln bezahlt. Ich muss schauen, ob ich irgendwo Merchandise von Aeroflot bekomme, das Logo mit Hammer, Sichel, Ährenkranz und Schwingen find ich zu geil. Mal sehen, was Moskaus Souvenirstände da so hergeben.
Eine halbe Stunde später: wir machen es dem Niveau nach und sinken. Ich muss meinen kindle wieder abschalten, ergo kann ich mich auch nicht mehr von dem leeren Geschwafel der Typen hinter mir ablenken. Hoffentlich gehts gleich zügig nach Unten! Dann heisst es erstmal orientieren, Geld wechseln und ins Hotel kommen. Immerhin sind wir noch über den Wolken. Das Geschrei der Kinder setzt wieder ein.

Apropos Geld wechseln: das wird seit Israel (2009?) das erste Mal, dass ich keine Euro als primäres Zahlungsmittel bei mir trage und verwende. Das fühlt sich seltsam an. Gut finde ich das aber trotzdem. So kann ich ja in Europa umherreisen und muss mir keine Sorgen um eine andere Währung machen. Die EU mag ich außerdem, weil ich frei durch die Gegend fliegen kann und erst das Hotel im Ankunftsland meine Identität festhält, beziehungsweise sich dafür interessiert.

Jetzt fällt der Flugbegleitöse doch tatsächlich auf, dass meine Tasche auf dem Boden unter dem Sitz meines Vordermanns steht und nicht hinter einer Klappe über unseren Köpfen. Seltsam: darf die da etwa nicht stehen und warum hat das während des Starts niemanden interessiert?


1706: Willkommen auf Moskauer Boden

Gut, Geldwechsel durchgeführt, für 200€ gab es etwas mehr als 8700 Rubel. Hab den Fehler gemacht, ohne gescheite Lagebeurteilung aus dem Terminal zu rennen. Da ich aber den Aeroexpress in die Stadt nehmen wollte, musste ich wieder rein. Wieder durch ne Sicherheitsschleuse. Allerdings ne schlampig teilnahmslose.
Jetzt schon festgestellt: die russischen Mütter haben schöne Töchter, die auch auf jeden Fall zeigen was sie haben. Ungewohnt.
Noch warte ich drauf, bis ich Skizzen in dieses Heft mache. Das wird erst witzig aussehen! [Aber zum Glück nie passieren!]

2000 Ankunft Hotelzimmer. Da hab ich doch inklusive einmal Metro in die falsche Richtung nehmen wirklich 3 Stunden gebraucht bis ins Hotel! Okay, der Aeroexpress braucht ne halbe Stunde bis an den Weissrussischen Bahnhof und er fährt nur halbstündlich, dazu kenn ich mich noch nicht aus und musste viel suchen. Die Metrostation an dem Bahnhof hab ich nur gefunden, weil ich mich hab vom Menschenstrom mitziehen lassen. Dafür habe ich das Hotel direkt gefunden, es liegt wirklich gegenüber der nächsten Metrostation. So gefällt mir das. (Ausserdem ist das Holiday Inn an der Sokolniki nur zu empfehlen: europäischer Standart, bezahlbar trotz sehr guter Lage, kostenloses WLAN auf den Zimmern und zubuchbares Frühstück. Letzteres habe ich übrigens nicht bezahlt, in der Stadt kann man für weniger Geld gut frühstücken)

Die Metro auf der Sokolnizeskaja Linie ist alt, laut und die Frauen an den Kassenschaltern können kein Englisch [wie auch sonst nirgends]. Ergo: Suche Englisch sprechende Ticketverkäuferinnen, im Zweifel weiter im Zentrum. Sokolniki scheint mir etwas zu weit draußen zu sein.
2045 Abfahrt auf Linie 1 in Richtung Zentrum.

2111 Sowjet Diner
Beschriebenes Sowjet Diner
Auch die Tickethäuschenbesetzerinnen im Zentrum sprechen kein Englisch. Die jungen Frauen auf dem Weg in den Abend zum Glück schon. Folge: ein 24h Ticket für 200r erworben. Lubljanka [Hauptquartier des KGB] scheint eingerüstet. Muss ich mir im Hellen nochmal anschauen. Nächstes Ziel: Kreml.

Der leere Teller (ehemals Pelmeni) und Kwass
Kwas schmeckt wie sehr süsses Schwarzbier und sieht auch so aus. Sowjet Diner: Breschnew schaut mich überlebensgross von einer gesamten Raumseite an und aus den Lautsprechern konnt "Moskau" von der deutschen Band Tschinigis Kahn! Die Pelmeni sind übrigens gut, schmecken bestens mit saurer Sahne. Muss gleich wieder los, so lange kann und will ich nicht an einem Ort bleiben. Meine Zeit läuft.

Die Basilikus-Kathedrale

Kremlturm mit rotem Stern bei Nacht
Blick auf den Roten Platz




Wo die Russen nie einen Mann hingeschickt haben: der Mond
Es ist grossartig! Ich sitze dem Kreml gegenüber! Glaube fast eine Runde drumrum geschafft zu haben, immer noch auf der Suche nach Lenin ['s Mausoleum]. Ich könnte ja auch auf meinen Stadtplan schauen, aber das wäre zu einfach! Also laufe ich einmal drumrum, warscheinlich ist es am Ende aber wie in Helsinki mit der Steinkirche: ich hätte zu Anfang nur kurz in die andere Richtung gehen müssen.



GUM

So war es dann auch. Ich bin am unteren Ende an den roten Platz gestoßen, hab auch richtig geraten, dass das hell erleuchtete Gebäude gegenüber des Kremls das GUM [schon zu Sowjetzeiten DAS Kaufhaus in Russland] ist. Bin dann in nem größeren Kreis zurück zur Leninbibliothek und auf die andere Seite der Moskwa. Vorher bin ich - weil ich keine 80 Sekunden an einer Fussgängerampel warten wollte - über Nebenstraßen gelaufen: kaum ist man von den Hauptstraßen weg, ist Moskau nach 2300 wie ausgestorben. Hab ich auf der Südseite der Moskwa auch bestätigen können. Letztlich bin ich praktisch von der Station Bbliotheka imeni Lenina bis zur Oktjabrskaja gelatscht, weil ich zu nem Gebäude wollte, bei dem sich später rausstellte, dass es kein orginales Zuckerbäckergebäude aus der Stalinzeit ist, sondern 'nur' das Prezident-Otel.

Prezident-Otel


Blick auf den Kreml

Christi-Erlöser-Kathedrale




Inzwischen war es nach 2400, also fuhr ich zurück ins Hotel. Doch weder hier im Hotel (naja, gegen viel Geld wohl warscheinlich schon) noch in der goldenen Möwe nebenan bekomme ich zu dieser Uhrzeit noch was zu essen! Was ist denn hier los? Da muss morgen aber ein gescheites Frühstück her. Ob vor, nach oder im Berufsverkehr wird sich zeigen.


Für die Moskowiter ist Auto fahren Krieg. Hab noch nie Leute so aggressiv fahren sehen. Wie kann es eigentlich sein, dass der Berufsverkehr in der Metro von 8 bis 10 geht? Wie arbeiten die denn, wenn es abends zwischen 1800 und 2000 nochmal eng wird? Muss ich diese Zeiten verstehen?



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PS: Neue Labels: "Reisen" für meine Reiserei und "Moskau" für alles, was mit der Stadt zusammenhängt.

PS²: Den nächsten Teil gibts nächste Woche. Ich entzerre damit hoffentlich alles ein wenig.

1 Kommentar:

  1. Das klingt nach viel Spaß doch von der Lubljanka würde ich mich fern halten. Die behalten dich wegen Spionageverdacht noch dort. ;) Hieß so nicht das KGB Gefängnis und nicht das HQ an sich?
    Schöne Reisebeschreibung. Freue mich auf mehr.

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